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Mädchenrealschule St. Josef
Alte Langgasse 10
63457 Hanau-Großauheim


Tel.: 06181 956613
Fax: 06181 956615

 

"Wir sind doch keine entwurzelten Amöben!"

Mut, Erinnerung und Verantwortung: Ein besonderer Abend im Zeichen der Demokratie!

Unsere Schule wurde am 2. Juni in der umgestalteten und voll besetzten Turnhalle zum Schauplatz einer eindrucksvollen Begegnung mit der Geschichte. Drei Nachfahren prominenter Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime sprachen mit Schülerinnen über die Bedeutung von Zivilcourage, demokratischer Bildung und persönlicher Verantwortung in der Gegenwart.


Sophie Bechtolsheim, Enkelin von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Maximilian Probst, Enkel von Christoph Probst aus der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, und Mathias Bonhoeffer, Großneffe des Theologen Dietrich Bonhoeffer, folgten der Einladung der Schülerinnenzeitung josefine


Unter dem Titel „Über den Mut von gestern und unsere Verantwortung heute“ führten die Schülerinnen Helena Lortz (7b) und Alina Dillmann (9a) durch einen Abend, der nicht nur informativ, sondern auch emotional bewegend war.


Bereits in der Eröffnung machte die stellvertretende Schulleiterin Julia Kreutz die Dringlichkeit deutlich: In Zeiten zunehmender politischer Unsicherheit sei es entscheidend, junge Menschen für demokratische Werte zu sensibilisieren. Diese Werte wurden durch eindrucksvolle persönliche Geschichten der Gäste greifbar gemacht.


So erzählte Sophie Bechtolsheim von ihrem Großvater, der in der Familie als charismatischer Mensch galt – aber kein Held. Stattdessen war er ein Mensch mit Schwächen und Ängsten. Er war nicht schwindelfrei und hatte Angst vor Bienen und Wespen, die seine Ehefrau stets vertreiben musste. Eine Erinnerung, die zeigt, dass historische Figuren oft viel näher an uns dran sind, als es die Geschichtsbücher vermuten lassen.


Auch Maximilian Probst schilderte die persönlichen Herausforderungen, die mit dem Vermächtnis seines Großvaters einhergingen. Christoph Probst wuchs in einem freidenkenden Elternhaus auf, seine Freiheitsliebe wurde jedoch durch das NS-Regime eingeschränkt. Die Entscheidung, sich aktiv gegen das Unrecht zu stellen, war nicht selbstverständlich, sondern mit großer Gefahr verbunden.

Mathias Bonhoeffer führte die ethische Diskussion weiter und griff eine Frage aus dem Publikum auf: „Wie kann ein Christ verantworten, jemanden zu töten?“ Eine Frage, die auch seinen Großonkel Dietrich Bonhoeffer beschäftigt hatte. Sein berühmter Ausspruch, dass es „besser sei, einen Menschen zu ermorden, als zuzulassen, dass Millionen sterben“, regte zum Nachdenken an. Dabei wurde auch betont, dass Sophie Scholl – hätte sie die Möglichkeit gehabt – Hitler erschossen hätte.


Die Diskussion zeigte eindrucksvoll, wie wichtig es ist, Geschichte nicht nur passiv zu erinnern, sondern aus ihr zu lernen und Konsequenzen für die Gegenwart zu ziehen. Bis 1933 hätte man die Nazis verhindern können, meinte Probst: „Da ist nichts geschehen.“ Heute sei es umso wichtiger, ein Gespür für Veränderungen zu entwickeln.


Dass die St.-Josef-Schule diese Verantwortung ernst nimmt, zeigt ihr vielseitiges Engagement. Trotz ihrer vergleichsweisen kleinen Größe mit nur 310 Schülerinnen ist sie eine Schule, die wirkt. Sie wurde als Umweltschule zertifiziert, hat mit dem „Hildegärtchen“ aktiv das Stadtbild Großauheims erweitert. 2024 wurde die Schülerinnenzeitung josefine mit dem Preis der Margot-Friedländer-Stiftung ausgezeichnet – eine Anerkennung ihres herausragenden Beitrags zur Erinnerungskultur. Bereits im vergangenen Jahr hatte die josefine-Redaktion einen Abend über Emilie und Oskar Schindler organisiert, und die Schülerinnen setzen sich regelmäßig für soziale und gesellschaftliche Projekte ein.


Am Ende des Abends fand Sophie Bechtolsheim klare Worte: „Jeder hat seinen Rucksack zu tragen. Wir sind nicht entwurzelte Amöben. Wir haben Vorfahren, und es ist unsere staatsbürgerliche Pflicht zu wissen, was vor 80 Jahren hier los war.“ Ihr Appell, Verantwortung zu übernehmen und mit Courage zu handeln, war ein eindringliches Schlusswort.


Die Veranstaltung an der St.-Josef-Schule war weit mehr als eine Geschichtsstunde – sie war eine inspirierende Erinnerung daran, dass Zivilcourage jeden Tag aufs Neue gefordert ist. Die Mädchenschule nimmt den Auftrag der Demokratiebildung – aber auch der Herzensbildung aus den christlichen Wurzeln heraus - immer wieder aufs Neue an.



Text: Julia Kreutz

Bilder: Michael Prochnow vom Hanauer Anzeiger, Julia Kreutz